Erfahren Sie hier, wie das System aus EU-Richtlinien und -Verordnungen, EN-Normen und Risikobeurteilung zusammenhängt, wo Sie EN-Normen finden, welche Verfahren zur Konformitätsbewertung es gibt und welche Rolle ein Notified Body spielt.
EU-Richtlinien und -Verordnungen definieren wesentliche Anforderungen, um die Gesundheit und Sicherheit des Benutzers (Konsument, Arbeitnehmer, …) zu gewährleisten und die Umwelt zu schützen ohne dafür Lösungen vorzuschreiben. Die konkreten Lösungen können nach Ermessen des Herstellers durch die Anwendung von EN-Normen oder technischen Spezifikationen entwickelt werden.
EU-Richtlinien und -Verordnungen sind europäische Rechtsakte und werden im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Mit Bezug zur CE-Kennzeichnung legen sie Anforderungen an Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz fest. Die Anforderungen sind rechtlich verbindlich.
EU-Richtlinien müssen von den EU-Ländern in deren nationaler Gesetzgebung umgesetzt werden. Dies muss innerhalb einer Frist ab Inkrafttreten der Richtlinie erfolgen. Die Frist ist in der jeweiligen EU-Richtlinie angegeben und beträgt in der Regel zwei bis drei Jahre.
EU-Verordnungen wirken bei Inkrafttreten automatisch und einheitlich in allen EU-Ländern. Sie treten an einem in der jeweiligen Verordnung festgelegten Zeitpunkt oder am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Für Marktaufsichtsbehörden dienen EU-Richtlinien und -Verordnungen als Grundlage zur Marktüberwachung. Dazu zählen unter anderem auch Produktkontrollen im Warenstrom.
Wird ein Produkt vom Anwendungsbereich einer EU-Richtlinie oder -Verordnung erfasst, welche eine CE-Kennzeichnung fordert, besteht die Pflicht einer CE-Kennzeichnung. Eine erste Orientierung, ob ein Produkt von einer EU-Richtlinie oder -Verordnung erfasst wird, gibt der Online-Check der Wirtschaftskammer Österreich. Im Online-Check werden Kriterien zu den Anwendungsbereichen von EU-Richtlinien und -Verordnungen beantwortet.
Ergebnis ist eine erste Auflistung von EU-Richtlinien und -Verordnungen, welche das Produkt erfassen könnten. Das Ergebnis ist für jedes Land gültig, das eine CE-Kennzeichnung fordert.
Alle EU-Richtlinien und -Verordnungen sind in Volltext im EUR-Lex Online- Portal in allen Amtssprachen der Europäischen Union zugänglich. Der Download ist kostenlos.
Wenn mit Hilfe des Online-Check der Wirtschaftskammer Österreich eine vorläufige Auflistung von EU-Richtlinien und -Verordnungen generiert wurde, ist im Detail zu prüfen welche EU-Richtlinien und -Verordnungen tatsächlich auf das Produkt anzuwenden sind.
Hierzu sind die Abschnitte „Anwendungsbereich” und „Ausnahmen“ für jede gelistete EU-Richtlinie und -Verordnung zu prüfen. Können Merkmale des Produktes dem Anwendungsbereich zugordnet werden, gilt die jeweilige EU-Richtlinie und -Verordnung für das Produkt. Die Abschnitte „Ausnahmen“ bzw. „Ausgenommene Produkte“ grenzen die Anwendung der EU-Richtlinien und -Verordnungen zu ähnlichen Produktkategorien ab.
EU-Richtlinien und -Verordnungen sind in folgende Abschnitte gegliedert:
Die Konformitätsbewertung erfolgt parallel zur Produktentwicklung und Herstellung. Sie hat Einfluss auf:
Für viele Produkte führt der Hersteller die Konformitätsbewertung mit den erforderlichen Prüfungen alleine durch. Ist für ein Produkt eine hohe Zuverlässigkeit an Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz erforderlich, sind Prüfungen oder Zertifizierungen durch unabhängige Prüfstellen vorgeschrieben.
Diese Anforderungen sind in acht Konformitätsbewertungsmodulen, auch Module genannt, verankert. Die Module A bis H kommen einzeln oder in Kombination zur Anwendung und definieren somit die unterschiedlichen Verfahren. Welche Module zur Anwendung kommen, ist in der jeweiligen EU-Richtlinie oder -Verordnung definiert.
Im Verfahren nach Modul A „Interne Fertigungskontrolle“ führt der Hersteller die Konformitätsbewertung durch interne Kontrollen alleine durch. Für alle weiteren Module muss der Hersteller eine unabhängige Prüfstelle (Notified Body) einbeziehen. Die Module bestimmen, welche Prüfungen oder Zertifizierungen durch einen Notified Body erfolgen müssen.
Ein Notified Body (NB), auch „benannte Stelle” genannt, sind unabhängige Prüfstellen. Sie führen Prüfungen oder Zertifizierungen im Rahmen einer Konformitätsbewertung durch. Dazu sind sie für eine oder mehrere EU-Richtlinien und -Verordnungen staatlich akkreditiert.
Jeder Notified Body hat in der Europäischen Union eine eindeutige vierstellige Kennnummer.
Eine Auflistung der Notified Bodys, sortiert nach den entsprechenden EU-Richtlinien und -Verordnungen oder Kennnummern, enthält die Nando-Datenbank der Europäischen Kommission.
Ist ein Notified Body im Rahmen der Konformitätsbewertung erforderlich, kann die Datenbank nach einer für das Produkt zutreffenden EU-Richtlinie, -Verordnung gefiltert werden. Ergebnis ist eine Liste in Europa zugelassener Notified Bodys.
EN-Normen mit Bezug zur CE-Kennzeichnung befassen sich mit Produktsicherheit, -verfügbarkeit, -zuverlässigkeit sowie mit Gesundheits- und Umweltschutz. Sie enthalten konkrete Lösungen, wie Gefährdungen beseitigt und Risiken an Produkten vermindert werden können.
Die Anwendung von EN-Normen ist meist freiwillig. EU-Rechtsakte können jedoch in bestimmten Fällen die Anwendung von EN-Normen vorschreiben. Viele herstellende Unternehmen nutzen EN-Normen, weil sie damit darstellen, dass ihr Produkt ein bestimmtes Maß an Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit auszeichnet.
EN-Normen werden von den folgenden europäischen Normungsgremien erstellt und veröffentlicht:
In den Online-Portalen der europäischen Normungsgremien sind alle EN-Normen mit Titel, Nummer und Ausgabedatum gelistet:
Die Online-Portale informieren über die Existenz von EN-Normen in aktuell gültiger Ausgabe und erleichtern somit die Recherche. Der Zugriff auf die jeweiligen Dokumente ist dort jedoch nicht möglich. EN-Normen können in den Online-Shops nationaler Normungsgremien kostenpflichtig erworben werden. Der Inhalt einer EN-Norm ist bei allen Bezugsquellen identisch.
EN-Normen enthalten i. d. R. folgende Abschnitte:
EN-Normen für die Produktkategorie „Maschinen“ sind in Typ A-, B- und C-Normen eingeteilt.
Für alle anderen Produktkategorien gilt diese Einteilung nicht.
Erst wenn eine EN-Norm im Amtsblatt der Europäischen Union gelistet ist, gilt sie als harmonisierte europäische Norm. Damit sind einige besondere Merkmale verbunden:
Mit Anwendung dieser EN-Normen kann einfacher nachgewiesen werden, dass Produkte mit den Anforderungen der EU-Richtlinien und -Verordnungen konform sind. Es besteht die sogenannte „Konformitätsvermutung“.
Harmonisierte EN-Normen werden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Europäische Kommission stellt eine Liste der harmonisierten EN-Normen zur Verfügung.
Die Auflistung ist eine Zusammenfassung, die zum Zeitpunkt der Recherche nicht mehr aktuell sein kann. Um den aktuellen Stand zu ermitteln, sind parallel die Veröffentlichungen im Amtsblatt der EU zu verfolgen.
Das aufeinander aufbauende Verfahren der Risikobeurteilung und Risikominderung wird umgangssprachlich oft mit dem Begriff „Risikobeurteilung“ zusammengefasst.
Mit dem Verfahren der Risikobeurteilung wird ermittelt, welche Anforderungen an Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz konkret für ein Produkt gelten. Die geltenden Anforderungen sind in den zutreffenden EU-Richtlinien und -Verordnungen enthalten und werden „grundlegende Sicherheits- u. Gesundheitsschutzanforderungen“, abgekürzt „GSA“, genannt.
In den GSA sind sicherheitstechnische Schutzziele formuliert. Sie geben keine Lösungen vor, wie Risiken beseitigt oder vermindert werden können. EN-Normen hingegen enthalten mögliche Lösungen, die geeignet sind, um diese Schutzziele zu erreichen.
Risikobeurteilungen werden für unterschiedliche Aspekte angewendet, wie z. B. Sicherheit von Maschinen, Schutz vor Explosion, Aufzüge in Gebäuden etc. Für diese Aspekte ist das jeweilige Verfahren in EN-Normen definiert.
Hersteller sind verpflichtet eine Risikobeurteilung für ihr Produkt durchzuführen. Abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung ist sie von großem Nutzen, denn sie ermöglicht:
Die international gültige Norm EN ISO 12100:2010 definiert das Verfahren der Risikobeurteilung für Maschinen. Sie enthält zudem Prinzipien und Methoden für die Konstruktion sicherer Maschinen. Das Verfahren der Risikobeurteilung (nach EN ISO 12100:2010 Abs. 5) ist auch für andere Produktkategorien, wie z. B. Niederspannungsgeräte, geeignet.
Im Verfahren werden Gefährdungen die in Verbindung mit einem Produkt stehen ermittelt und die daraus resultierenden Risiken mit wirksamen Maßnahmen beseitigt oder gemindert. Die Maßnahmen zur Risikominderung werden in einem dreistufigen iterativen (sich schrittweise wiederholenden) Prozess ermittelt. Ziel ist es, ein ausreichend sicheres Produkt zu konstruieren und herzustellen.
Die nachstehende Abbildung zeigt vereinfacht den Ablauf der Risikobeurteilung nach EN ISO 12100:2010.
Bei der Verwendung dürfen von einem Produkt tolerierbare Risiken ausgehen. Das Produkt muss also für die Bestimmungsgemäße Verwendung ausreichend sicher sein.
Dazu werden die Bedingungen festgelegt, unter welchen das Produkt verwendet und eingesetzt werden kann:
Nun werden die Gefährdungen identifiziert. Sämtliche Phasen der Lebensdauer und damit verbundene Tätigkeiten werden systematisch untersucht. Die Lebensphasen eines Produktes sind z. B. Transport, Aufbau, Inbetriebnahme, Verwendung, Instandhaltung, Außerbetriebnahme, Demontage, Entsorgung …
Gefährdungssituationen können für eine oder mehrere Lebensphasen relevant sein.
Für jede Gefährdungssituation wird eine Einschätzung durchgeführt, indem die Risikoelemente „Schadensausmaß“ und „Eintrittswahrscheinlichkeit“ bestimmt werden. Diese Risikoelemente sind in weitere Elemente gegliedert – z. B. Schadensausmaß in leicht, schwer, tödlich.
Zur einfachen Risikoeinschätzung werden sogenannte Risikografen angewendet, um einen Faktor für ein Risiko zu bestimmen. Es gibt unterschiedliche Risikografen, mit unterschiedlichen Schemata und Zahlenwerten.
Wird ein Risiko z. B. mit einem Faktor zwischen 0 und 10 ausgedrückt, bedeutet Faktor 10 das größte Schadensausmaß mit höchster Eintrittswahrscheinlichkeit. Ein Faktor 0 demnach kein oder nur geringes Schadensausmaß mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit.
Die „Risikobewertung“ bezieht sich auf die Feststellung, ob eine hinreichende Risikominderung erreicht ist und die ergriffenen Maßnahmen angemessen sind. Sie ist eine Art „Wirksamkeitsprüfung“.
Im Gesamtablauf erfolgt die Risikobewertung mehrfach:
1) Für jede Maßnahme – Wird mit der Maßnahme eine Risikominderung erreicht?
2) Für mehrerer Maßnahmen – Wird durch das Zusammenwirken aller Maßnahmen eine Risikominderung erreicht?
Zudem muss betrachtet werden, ob durch die getroffenen Maßnahmen neue Gefährdungen entstehen, welche wiederum eine Risikobewertung durchlaufen müssen.
Die Einhaltung der dreistufigen Reihenfolge bei der Risikominderung ist Voraussetzung, um die „hinreichende Risikominderung“ zu erreichen.
Das Ziel der Risikominderung kann durch das Beseitigen der Gefährdung oder Minderung der Elemente „Schadensausmaß“ und/oder „Eintrittswahrscheinlichkeit“ erreicht werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, können unterschiedliche Arten von Maßnahmen angewendet werden. Bei der Auswahl der geeigneten Maßnahmen ist folgende dreistufige Reihenfolge einzuhalten:
1. Konstruktive Maßnahmen (Risiken beseitigen oder minimieren)
2. Technische und ergänzende Schutzmaßnahmen (gegen Risiken, die sich nicht beseitigen oder mindern lassen)
3. Benutzerinformation (Information zu Restrisiken und organisatorische Schutzmaßnahmen)
Die Reihenfolge begründet sich in der Wirksamkeit der unterschiedlichen Maßnahmenarten.
EN-Normen bieten Lösungen zur Risikominderung. Somit enthalten EN-Normen wichtiges Fachwissen für die sicherheitsgerechte Konstruktion von Produkten. Normen...
Meist ist die Anwendung von EN-Normen freiwillig, hingegen das Erfüllen der sicherheitstechnischen Ziele der EU-Richtlinien und -Verordnungen verpflichtend. Durch die freiwillige Anwendung der EN-Normen ist es möglich, dass neue Lösungen zur Risikominderung entwickelt werden können.
Die Anwendung von Normen ist nur dann verpflichtend, wenn eine auf Ihr Produkt zutreffende EU-Richtlinien und -Verordnungen die Anwendung einer EN-Norm vorschreibt.
Hängt eine Schutzmaßnahme von einer Steuerungsfunktion ab, spricht man von einer Sicherheitsfunktion der Steuerung. Beispiele dafür sind reduzierte Geschwindigkeiten, Verriegeln von Schutztüren, Auswahl von Betriebsarten, etc.
Besteht ein hohes Risiko wird eine sehr zuverlässige Sicherheitsfunktion benötigt, um jederzeit die Schutzfunktion zu gewährleisten.
Für jede Sicherheitsfunktion wird ein Sicherheitsniveau ermittelt. Dazu wird die Risikoeinschätzung mit einem Risikografen durchgeführt. In vielen Fällen geben jedoch EN-Normen (insbesondere Typ C-Normen) Sicherheitsfunktionen samt Sicherheitsniveau vor.
Das Sicherheitsniveau wird als Performance Level (PL) nach EN ISO 13849-1 oder als Sicherheits-Integritätslevel (SIL) nach EN IEC 62061 ausgedrückt. Es gibt folgende Sicherheitsniveaus:
Die höchste Zuverlässigkeit drücken PL e bzw. SIL 3 aus.
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